Portugal ist Österreich erstaunlich ähnlich. Mit vergleichbarer Größe und Bevölkerungszahl, kleinen Städten und einer ausgeprägten KMU-Landschaft, liegt Portugal ebenfalls im Schatten eines großen Nachbarn, geografisch aber durchaus interessant als Einstiegstor in einen größeren Markt. Der rigide Sparkurs hat jedoch Spuren hinterlassen, Portugal ist das sechstärmste Land in der EU, die Einkommen sind niedrig und der „brain drain“, die Abwanderung von Fachkräften, hoch. Nichtsdestotrotz hat es Portugal geschafft, die Wissenschaftsskepsis zu überwinden und Lissabon als Innovationshauptstadt zu positionieren. Wie sie das geschafft haben? Mit Kreativität, Pragmatismus und Offenheit für Kooperationen.
ACR auf Studienreise in Lissabon
Anfang Mai besuchten wir mit einer 43-köpfigen Delegation Portugal, darunter Vertreterinnen und Vertreter der ACR-Institute, Ministerien, Förderagenturen, Interessenvertretungen sowie Medien, um das Innovationssystem kennenzulernen. Portugal hat in den letzten Jahren im Innovationsranking stark aufgeholt, ist eines der wissenschaftsfreundlichsten Länder der EU und interessiert an Kooperationen.
Fokus auf Innovation
Portugal hat nach einem harten Sanierungsprogramm einen rasanten Aufschwung erlebt. Einer der Gründe liegt dabei sicherlich in einem starken Fokus auf Wissenschaft und Innovation sowie dem Wissenstransfer hin zu den Unternehmen als auch in die breite Bevölkerung. „Angewandte Forschung und Grundlagenforschung werden hier als Einheit gesehen, alle ziehen hier an einem Strang“, beobachtete ACR-Präsidentin Iris Filzwieser. Auch das Vertrauen in die Wissenschaft in der Bevölkerung ist eines der höchsten in Europa, ebenso wie die Quote an MINT-Absolventinnen und Absolventen, „daran können wir uns jedenfalls ein Vorbild nehmen“ so Filzwieser. Um diese klugen Köpfe zu halten, investiert das Land in Forschungszentren und Start-up Programme. Es entstehen Science-Parks und Co-Labs, in denen private Non-Profit-Organisationen und Unternehmen neue Jobs im Forschungs- und Entwicklungsbereich schaffen. Unterstützung bei der Unternehmensgründung und finanzielle Anreize sorgen für ein florierendes Start-up Ökosystem. Auch der Zugang zu neuen Märkten, wie Afrika und Lateinamerika, macht Portugal zu einem attraktiven Firmenstandort. Nicht zuletzt ist es aber der Hinweis auf die Lebensqualität in einem der sichersten Länder Europas mit über 300 Sonnentagen pro Jahr, moderaten Temperaturen und der Nähe zu den Stränden, einer der in keinem Werbeprospekt der Universitäten, Forschungszentren und großen Unternehmen fehlt.
Offenheit und Kreativität
Trotz der großen Fortschritte Portugals, ist der Sparkurs aber immer noch bemerkbar, in der Organisationstruktur und auch in der Förderlandschaft: es gibt kaum Planungssicherheit, da auch die Forschungsfinanzierung an den Universitäten nur projektbasiert ist, über 30 Institute sind überhaupt ohne staatliche Finanzierung. „In Portugal ist man es gewohnt, mit wenigen Mitteln zu arbeiten. Die Menschen sind sehr gut darin, kreative, innovative Lösungen zu finden,“ erklärt Esther Maca, Österreichische Wirtschaftsdelegierte dagegen das Mindset der Portugiesen. Auf der anderen Seite kann ein Blick auf den Sparhaushalt durchaus nützlich sein, um von den Erfahrungen Portugals zu lernen und Sparpotenziale auszumachen.
Die Delegierten der Studienreise waren jedenfalls beeindruckt von der lebendigen Forschungslandschaft in Portugal, der Offenheit und dem großen Interesse an Kooperationen aller beteiligten Organisationen. „Ich hatte noch nie das Gefühl, ein so tolles Partnerland für Österreich gefunden zu haben“, fasst Iris Filzwieser zusammen.
Vielfältiges Programm
Das Programm der ACR-Studienreise, das mit der Unterstützung der Wirtschaftsdelegierten der WKO Esther Maca und ihres Teams zusammengestellt wurde, war vielfältig und ermöglichte der Delegation den Austausch mit folgenden Organisationen:
- Faculdade de Ciências e Tecnologia da Universidade NOVA de Lisboa
- Fundação para a Ciência e a Tecnologia (FCT)
- ANI | Agência Nacional de Inovação
- AlmaScience
- Instituto Superior Técnico
- Startup Lisboa
- INOV
- INESC
Studienreisen bringen neue Ideen
Ein wesentliches strategisches Ziel der ACR ist es, die internationale Zusammenarbeit in der angewandten Forschung zu stärken und im eigenen Netzwerk zu forcieren. Daher organisiert die ACR seit 2010 jedes Jahr eine Studienreise in ein europäisches Land, um sich ein Bild von dessen Forschungslandschaft und Innovationssystem zu machen, Anregungen und neue Ideen zu holen und Synergiepotentiale mit internationalen Partnern zu erschließen. Teilnehmer*innen sind die Leiter*innen der ACR-Institute, Vertreter*innen von Ministerien, Förderagenturen und Interessenvertretungen sowie Journalist*innen. Die bisherigen Destinationen: Belgien (2010), Türkei (2011), Schweden (2012), Frankreich (2013), Luxemburg (2014), Dänemark (2015), Spanien (2016), Israel (2017), Finnland (2018), UK (2019), Norwegen (2022), Niederlande (2023).