Brandverhalten simulieren

Drei ACR-Institute – IBS, HFA und ÖGI – begeben sich gemeinsam auf brandschutztechnisches Neuland. Zukünftig sollen neben den klassischen Bauteilprüfungen, Holzbauteile mit Hilfe von numerischer Simulation beurteilt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen komplexe thermophysikalische, -chemische und strukturmechanische Vorgänge, die während des Abbrandes von Holzbauteilen entstehen, erforscht und dann richtig in numerischen Berechnungsmodellen abgebildet werden.

Mit dem vermehrten Einsatz von Holz in mehrgeschoßigen bzw. öffentlichen Bauten gehen auch erhöhte brandschutztechnische Anforderungen einher, die es zu erfüllen gilt. In der Regel stellt ein geforderter Feuerwiderstand von REI 60, REI 90 oder auch REI 120 für einen Holzbauteil kein Problem dar, lediglich die Nachweisführung erweist sich oft als sehr schwierig. Gemäß derzeitiger Normenlage, sowohl europäisch als auch national, ist es nicht möglich, Holzbauteile mit einem Feuerwiderstand größer als REI 60 rechnerisch nachzuweisen. Dies bedeutet, dass solche Bauteile nur über eine sehr zeit- und kostenintensive Bauteilprüfung durch reale Brandversuche nachzuweisen bzw. zu klassifizieren sind. Dies stellt einen wesentlichen Nachteil für diese Bauweise dar.

Die Komplexität des mehrschichtigen Aufbaus eines Holzbauteils stellt jedoch gerade bei Bauteilentwicklungen eine große Herausforderung dar und birgt eine hohe Gefahr, dass im Zuge der Brandprüfung das gewünschte Ergebnis nicht erreicht bzw. bei Weitem übererfüllt wird. Beide Resultate sind aus technisch/wirtschaftlicher Sicht kritisch. Im ersten Fall muss erneut geprüft werden. Dies bedeutet Zeitverlust, typischerweise bis zu einigen Monaten und abermals hohen Kosteneinsatz. Im zweiten Fall kommt aufgrund zu dick gewählter oder zusätzlicher Bauteilschichten ein sehr unwirtschaftlicher Holzbauteil zum Einsatz, der auch dem ressourcenschonenden Anspruch des Holzbaus widerspricht und sich gerade in Konkurrenz zu anderen Bauweisen als nachteilig erweist.

a Besprechung in der Prüfhalle der IBS
b Forscher im Serverraum

Durch dieses Projekt können Entwicklungszyklen von Bauteilen virtuell gestaltet werden. Vor allem KMU sparen dadurch viel Zeit und Geld.

Peter Kitzmüller, Projektleiter bei IBS

Alternative Möglichkeiten zur brandschutztechnischen Beurteilung solcher Holzbauteile unter Verwendung von validierten numerischen Simulationsmodellen, welche jedoch aufgrund der Möglichkeit einer schnelleren und vor allem sichereren Bauteiloptimierung einen großen Nutzen im Nachweisverfahren hätten, sind bis dato nicht verfügbar.

Die Untersuchung von brennbaren Baustoffen, wie Holz und Holzwerkstoffen ist sehr komplex, da neben der Freisetzung von Wasserdampf, temperaturabhängig chemische Reaktionen im Holz zur Freisetzung von gasförmigen Bestandteilen führt, welche in Folge einen positiven Beitrag zur Verbrennung und somit zu einer zusätzlichen Energiefreisetzung im Nahbereich der Oberfläche des Holzbauteils führen. Das zurückbleibende Material hat auch eine veränderte Stoff-DNA (Dichte, Wärmekapazität, Wärmeleitwert), welche in der Simulation abgebildet werden muss. Diese Baustoff-Grundlagendaten sollen vor allem durch den weiteren Projektpartner, das Österreichische Gießerei-Institut (ÖGI) erarbeitet werden.

Numerische Modelle, welche thermische Effekte im Prüfkörper und mechanische Wirkungen der Temperatur auf den Prüfkörper für die virtuelle Untersuchung des Brandverhaltens von Holz bzw. Holzwerkstoffen abbilden, sind bis dato keine bekannt. Eine virtuelle örtlich und zeitlich aufgelöste Abbildung der Veränderung der Holzeigenschaften zwischen thermisch unbeeinflusstem Holz, pyrolysiertem Holz und verkohltem Holz stellt eine Novität dar. Für die Untersuchung des Feuerwiderstandes von mehrschichtigen Holzbauteilen mit numerischen Methoden gilt dies umso mehr.

Eine große Herausforderung für das gesamte Forschungsteam! Es wurde dafür eigens ein virtuelles Kooperationslabor mit drei neuen Junior Grants geschaffen. Möglich wurde dies durch eine ACR-Förderung aus Mitteln des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort im Rahmen eines strategischen Projektes.