Oberflächenwasserprävention: Schäden durch Überflutung begrenzen

Wo starkregenbedingte Oberflächenwasser in Form von Sturzfluten wann auftauchen, ist schwer zu prognostizieren. Das ACR-Institut IBS will die Risiken kalkulierbar machen und verwendet dafür hochauflösende Computermodelle, um auf Basis von Simulationen genau zu berechnen, wieviel Oberflächenabfluss mit welcher Geschwindigkeit und Mächtigkeit an einem bestimmten Ort aufgrund von Starkregen auftreten wird.

Der Klimawandel bringt Extremwetter mit sich und damit oft unkalkulierbare Schadensrisiken für Gemeinden, Unternehmen, landwirtschaftliche Betriebe und private Haushalte. Starkregenereignisse sind dabei eine besondere Herausforderung: Die resultierenden Oberflächenabflüsse und Sturzfluten haben kaum etwas mit den bekannten Hochwasserereignissen, wenn etwa Flüsse über die Ufer treten, zu tun. Starkregenereignisse und damit einhergehende Überschwemmungen sind oftmals sehr lokal, können jedoch in allen Regionen auftreten, und es gibt keine kontinuierlichen Bilanzmessungen, anhand derer Voraussagen getroffen oder Risikoregionen definiert werden könnten. Wo starkregenbedingtes Oberflächenwasser wann auftauchen, ist schwer zu prognostizieren. „Wir sind zu oft unvorbereitet“, sagt Hans Starl, Experte am EPZ – Elementarschaden Präventionszentrum, einer Fachabteilung des IBS. „Dabei kann absolut jeder von Starkregen und damit von Sturzfluten betroffen sein.“

Mit dem EPZ will das IBS die starkregenbedingten Risiken kalkulierbar machen und verwendet dafür hochauflösende Computermodelle, um auf Basis von Simulationen genau zu berechnen, wieviel Oberflächenabfluss mit welcher Geschwindigkeit und Mächtigkeit an einem bestimmten Ort aufgrund von Starkregen auftreten wird. Die Identifikation von Gefahrenstellen (sog. „Hotspots“) macht den potenziellen Schaden berechenbar, die schlimmsten und teuersten Folgen können durch maßgeschneiderte Präventionskonzepte minimiert werden. „Wir können exakt bestimmen, was Gemeinden, Unternehmen und Haushalte tun müssen, um Schäden durch starkregenbedingte Oberflächenabflüsse zu begrenzen oder sogar zu vermeiden“, so Starl.

a Grafiksimulation einer Überschwemmungssituation rund um eine Einfamilienhaus
b Forscher des IBS sitzt vor seinem Computer und erstellt eine Hangwassersimulation

Wir können exakt bestimmen, was Unternehmen und Haushalte tun können, um Schäden durch starkregenbedingte Oberflächenabflüsse zu begrenzen oder sogar zu vermeiden.

Hans Starl, Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung

Das IBS beobachtet seit vielen Jahren, dass Naturkatastrophen in Österreich immer häufiger vorkommen. Besonders augenfällig ist die Zunahme von Starkregenereignissen, in deren Folge sich Straßen und Grünland in reißende Ströme verwandeln, die alles mitreißen und dabei Häuser, Betriebsstätten und Felder überfluten. Die wirtschaftlichen Schäden sind enorm und steigen stetig. Bereits 2015 beschloss das IBS seine Kompetenzen im Bereich Prävention von Naturkatastrophen zu bündeln, um Synergien zu schaffen und Experten-Netzwerke zu bilden: Das so entstandene EPZ fokussiert sich auf digitale Technologien wie eben Simulationen. „Unser Ziel ist es, speziell den KMU eine Grundlage zu geben, damit möglichst kostengünstige wie auch einfach umzusetzende Präventionslösungen gefunden werden“, erläutert Starl.

Niederschlagsdaten, Bodenparameter wie Zusammensetzung und Vorfeuchte, Landnutzung, Oberflächenbeschaffenheit etc. – um simulieren zu können, wann und wo mit welcher Kraft das Wasser auftreten wird, greift das IBS auf Daten zurück, die, da in verschiedenen Datenbanken gesammelt, eine hohe Heterogenität aufweisen. Anhand einer Vielzahl von Simulationen identifiziert das IBS die Hotspots für Oberflächenwasser betroffene Bereiche. Die Schäden sind umso größer, je versiegelter der Boden ist. „Der Klimawandel in Kombination mit Bodenversiegelung ist aktuell das größte Problem“, sagt Starl. Er geht davon aus, dass der Klimawandel bestehende Probleme verschärft. Starkregen oder Hagelereignisse werden in Zukunft häufiger wie auch extremer auftreten, oft in Verbindung mit Stürmen. Nach langen Trockenperioden ist auch unversiegelter Boden nicht mehr so aufnahmefähig für Wasser.

Unser Ziel ist es, speziell den KMU eine Grundlage zu geben, damit möglichst kostengünstige wie auch einfach umzusetzende Präventionslösungen gefunden werden.

Hans Starl

Das IBS betritt mit der Modellierung Neuland: Es gibt bislang keine standardisierten Verfahren, um oberflächenabflussbezogene Risiken zu beschreiben und auch keine baulichen und technologischen Standards, die geeignete Präventionsmaßnahmen definieren würden.  Auch in der Bevölkerung und bei Wirtschaftsbetrieben sei das Bewusstsein für die Gefahren von starkregenbedingtem Oberflächenwasser noch wenig ausgeprägt. Die Oberflächenabfluss-Modellierung legt damit die notwendigen Grundlagen, um Standards zu entwickeln, klare Regeln zu schaffen, Aufklärungsarbeit zu leisten und individuelle Präventionskonzepte zu entwickeln. Gefahrenhinweiskarten sollen für Laien einen niedrigschwelligen Zugang zur Problematik bieten.  „Wir sind der Überzeugung, dass ohne Standards und Richtlinien weder Menschen noch die Ressourcen Boden und Infrastruktur nachhaltig geschützt werden können“, sagt der Experte.