Die Bäckerei der Zukunft

Österreichs Industrie ist für etwa ein Drittel des jährlichen Gesamtenergieverbrauchs verantwortlich und verursacht gleichzeitig hohe Mengen an Treibhausgasemissionen. Der Lebensmittelbereich und insbesondere das Bäckereigewerbe stehen damit vor der Herausforderung, energie- und ressourcenschonender zu arbeiten. Allem voran der Back- und Kühlprozess führen dazu, dass der durchschnittliche Stromverbrauch einer österreichischen Bäckerei auf ungefähr 700 MWh pro Jahr geschätzt wird. Aus den massiven Preisanstiegen für Strom und Gas, aber auch Mehl und Getreide entsteht akuter Handlungsbedarf, um Bäckereien zu unterstützen und die heimische Lebensmittelversorgung nachhaltig sicherzustellen. Mit dem Forschungsprojekt „Energy4Bakery“ möchte das ACR-Institut VG – Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung genau dort ansetzen und mithelfen, den Backprozess zu revolutionieren.

Mann mit Brotlaib
Zwei Wissenschaftler im Gespräch vor einem Flipchart

Derzeit verbrauchen heimische Bäckereien jährlich so viel Strom wie 500.000 private Haushalte. Ein Großteil davon fließt in den Backprozess und in die Tiefkühlung. Deshalb ist es wichtig, den gesamten Prozess vom Vorteig bis zum fertigen Gebäck zu erforschen. Zunächst werden daher die Teigzutaten (Sauerteige) untersucht und die vorhandenen Mikrobiota auf deren optimales Wärmespektrum erprobt. Ist das Temperaturoptimum bekannt, können diese entsprechend kombiniert und in Backversuchen mit Niedrigtemperatur-Langzeitführung getestet werden, wobei auch eine Simulation des Gärprozesses erfolgt. Dabei werden dem Knetverhalten, der Stabilität, den zentralen physikalischen Eigenschaften sowie der Entwicklung des Teiges besondere Beachtung geschenkt und nicht zuletzt die Mehlqualität umfassend analysiert. Hier gibt es etwa hinsichtlich verschiedenster Weizensorten und ihrer teigrheologischen Eigenschaften noch erhebliche Wissenslücken, die es im Zuge des Projekts zu schließen gilt. „Im Grunde ist der Backprozess eine Zeit-Temperatur-Enzymfunktion, die wir kontrollieren müssen, um ein hochwertiges Premiumgebäck zu erhalten.“, fasst Geschäftsführer Christian Kummer die Ausgangslage zusammen. Als Alternative zur gebräuchlichen Tiefkühlung soll im Zuge des Projekts ein innovatives Frischbacksystem entwickelt werden, das maßgebliche Energieeinsparungen verspricht, ohne dabei die Qualität des Gebäcks zu mindern. Ganz im Sinne von Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft ist es das übergeordnete Ziel, vorhandene Ressourcen bestmöglich zu nützen, um ein optimales Backergebnis zu erzielen.

Die laufende Einbeziehung von heimischen KMU-Bäckereien und Evaluierung bestehender Fermentationsmodelle ist ein fixer Bestandteil des Projekts und stellt ein Höchstmaß an Praxistauglichkeit sicher. Das wird auch über die unmittelbare Anwendung gewonnener Forschungsergebnisse in einer Use-Case-Bäckerei erreicht. Mithilfe eines maturity assessments soll zudem ein allgemeiner Überblick über den technologischen Reifegrad heimischer Bäckereien gewonnen werden. Daneben bringen das Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC) sowie Güssing Energy Technologies (GET), beides Mitglieder des ACR-Forschungsnetzwerks, ihr wertvolles Know-how in das Projekt ein.

„Zusätzlich zu den technischen Innovationen möchten wir mit dem Projekt das Bewusstsein für ein gesundes, nachhaltiges Lebensmittel in den Vordergrund rücken. Damit Brot und Gebäck einen neuen Stellenwert bekommen – nämlich jenen, den sie verdienen.“

Christian Kummer, Geschäftsführer (VG)

Erstmals berücksichtigen die Forschenden den gesamten Backprozess und untersuchen die Mikrobiota-Zusammensetzung unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz. Schließlich könnte die optimale Teigbereitung eine Schlüsselkomponente für kreislauffähiges Backen darstellen. Daher sollen auch die zahlreichen Umwelteinflüsse und deren Einfluss auf die Teigbereitung und spätere Backqualität in ein mathematisches Modell gegossen werden, um praxisnahe Schlussfolgerungen abzuleiten. Erheblichen Neuigkeitswert hat zudem das bisher nicht etablierte Frischbacksystem. So werden Produkt- und Prozessinnovationen in einem Projekt vereint, um KMU ein maßgeschneidertes Angebot mit hoher Marktorientierung bereitzustellen. Hinzu kommt die Business-Modell-Innovation, durch die Bäckereien von einem niederschwelligen Zugang zu FEI-Dienstleistungen profitieren.

Gelingt es, das österreichische Bäckereigewerbe mit den im Projekt gewonnenen Erkenntnissen zukunftsfit zu machen, könnten sich heimische Backwaren als der internationale Standard für Nachhaltigkeit etablieren. Das steigert die Wettbewerbsfähigkeit und trägt gleichermaßen zur langfristigen Sicherung der Lebensmittelversorgung bei. Im Bereich der Energieeffizienz und CO2-Neutralität könnten Bäckereien eine Vorreiterrolle für den gesamten Industriesektor einnehmen und so einen wesentlichen Anstoß geben, notwendige und längst überfällige Reformen im Sinne der Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Die geschaffenen Netzwerkstrukturen und innovativen (Modellierungs-)Ansätze machen zudem den Weg für zukünftige Forschungsprojekte und Innovationen frei.