Wissen, was im Bauwerk steckt – den ganzen Lebenszyklus lang

Bauprodukte können aufgrund ihrer Schadstoffgehalte oder Schadstofffreisetzungen ein Risikopotenzial für die Umwelt und die Gesundheit darstellen. Diese qualitativen Produkteigenschaften werden in Ökobilanzen nicht abgebildet und in Bauprojekten bislang nicht digital dokumentiert – so liegen insbesondere zum Zeitpunkt des Rückbaus keine Produktdaten vor bzw. sind nicht mehr auffindbar. Im Projekt BIMpeco entwickeln ACR-Institute gemeinsam mit Softwareanbietern Workflows und Datenstrukturen für das digitale Informationsmanagement von umweltrelevanten Produktdaten.

Die wesentlichste Digitalisierungstechnologie für die Verbesserung von Planungs- und Bauprozessen ist sicherlich Building Information Modelling (BIM): Basierend auf einem digitalen 3D-Modell des Gebäudes entsteht eine Datenbank, in der alle relevanten Daten zum Gebäude abgelegt sind. Dieser „digitale Zwilling“ des Gebäudes dient allen am Bauprojekt Beteiligten ebenso wie dem späteren Betreiber als Informationsquelle. Insbesondere die Dokumentation der im Bauwerk eingesetzten Produkte (und somit die  Anbindung von Bauproduktdaten an BIM) ist während des gesamten Gebäudelebenszyklus von Bedeutung – für die Produkthersteller, die ausführenden Firmen, das Facility Management und die GebäudenutzerInnen bis zum Rückbau. Informationen über Stör- und Schadstoffgehalte in den eingesetzten Materialien müssen heute im Rahmen einer Stör- und Schadstofferkundung mühevoll rekonstruiert werden, was selten vollständig gelingt. Für Wiederverwendung und closed loop ist außerdem die exakte Produktidentifikation von großer Bedeutung.

a Stadtbild mit Kränen im Hintergrund

Gerade kleine und mittlere Unternehmen stehen meist noch am Beginn des digitalen Datenmanagements oder haben noch gar nicht damit begonnen – vor allem diese Betriebe werden von den Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt enorm profitieren können.

Veronika Huemer-Kals, Projektleiterin IBO

Das IBO hat zu dieser Problemstellung das Forschungsprojekt BIMpeco initiiert und im Herbst 2020 gestartet. Gemeinsam mit den ACR-Instituten AEE – Institut für Nachhaltige Technologien und GET – Güssing Energy Technologies sowie den Softwareanbietern ib data und A-NULL werden Workflows und Datenstrukturen für das digitale Informationsmanagement von umweltrelevanten Produktdaten entwickelt. In einem ersten Schritt gilt es, die relevanten Produkteigenschaften zu eruieren und in möglichst allgemein gültige, eindeutig definierte Attribute zu übersetzen. Standards für die Beschaffung schadstoff- und emissionsarmer Bauprodukte, wie etwa die ÖkoBauKriterien, schreiben z.B. Grenzwerte für gefährliche Inhaltsstoffe vor.

Normative Standards für das Produktinformationsmanagement und Produkt-Datenvorlagen über den Bauwerkslebenszyklus wurden 2019 entwickelt und bisher nur vereinzelt in proprietären Systemen angewandt. In BIMpeco werden diese Standards erprobt und mit etablierten Prozessabläufen abgestimmt. Anhand mehrerer Fallbeispiele werden die Übergabe, Ablage und Bereitstellung der Produktdaten mit Fokus auf die Fragestellungen in den verschiedenen Phasen (herstellerneutrale Ausschreibung, Vergleich der angebotenen Bauprodukte, Einbau des konkret gewählten Produktes, Datenverfügbarkeit zum Zeitpunkt des Rückbaus) getestet. Die Weitergabe der Informationen entlang der Lieferkette, fortlaufende Spezifizierung der Informationsanforderungen und Qualitätssicherung der Daten stellen Transparenz und Wissen über die umweltrelevanten Eigenschaften über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks sicher.

Vor allem KMU profitieren

Die Anbindung von Bauproduktdaten an BIM ist nicht nur für die HerstellerInnen, sondern für Stakeholder in der gesamten Wertschöpfungskette von Bedeutung:

  • für das Bauproduktmanagement (FachberaterInnen, ausführende Gewerke, örtliche Bauaufsicht, …)
  • für die Bauabrechnung der ausführenden Gewerke mit der AuftraggeberIn und mit den LieferantInnen
  • für die zukünftige Wartung (Facility ManagerInnen, EigentümerInnen, NutzerInnen, …)
  • für die spätere Kreislaufführung (Entsorgungsunternehmen, …).

Die Projektergebnisse (Attributmodell, ISO 23387-konforme Data Templates, ISO 19650-konformer Workflow, Dokumentation der Fallbeispiele) werden open-source zur Verfügung gestellt. Gerade kleine und mittlere Unternehmen stehen meist noch am Beginn des digitalen Datenmanagements oder haben noch gar nicht damit begonnen – vor allem diese Betriebe werden von den Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt enorm profitieren können.