Die Natur als Vorbild

Gemeinsam mit dem ACR-Institut ZFE hat das Grazer Unternehmen bionic surface technologies eine Mikrostruktur-Folie entwickelt, die der Haut von Haifischen nachempfunden ist und damit minimalen Reibungswiderstand verspricht. Als Paradesbeispiel für effizienten Technologietransfer 2011 mit dem ACR-Kooperationspreis ausgezeichnet, ist die Technologie 13 Jahre später in der Luftfahrt verbreitet im Einsatz.

Haie gehören zu den schnellsten und effizientesten Schwimmern weltweit. Zu verdanken haben sie das der rillenförmigen Struktur ihrer Schuppen, die zu einer Minimierung des Strömungswiderstandes führt. Dieser sogenannte „Riblet-Effekt“ ist seit den 1970er Jahren bekannt, aber erst 40 Jahre später gelang es einem Grazer Forschungsteam, ihn auch großflächig nutzbar zu machen. Auf die Optimierung von Oberflächenstrukturen spezialisiert, ist man es bei bionic surface technologies gewohnt, sich ein Vorbild an der Natur zu nehmen, steckt doch der entsprechende Fachausdruck „Bionik“ bereits im Namen des steirischen Unternehmens.

Ob in der Luftfahrt, beim Profisport oder in der Industrie, der Umgang mit Strömungswiderständen ist hier eine alltägliche Herausforderung. Denn die auftretenden Gegenkräfte hemmen Körper, die von Gasen wie Luft oder Flüssigkeiten wie Wasser umströmt werden, in ihrer Bewegung und setzen so einen erhöhten Kraftaufwand voraus. Das Bestreben, den Widerstand auf das absolute Minimum zu reduzieren, mag hier naheliegend erscheinen und da kommt der Hai als Vorbild überaus gelegen. Denn indem die feinen Oberflächenrillen in den Schuppen der Tiere mit der turbulenten Grenzschicht der Strömung interagieren, wird die Reibung maßgeblich herabgesetzt.

Flugzeug mit farblicher Kennzeichnung der auftretenden Strömungswiderstände

Bei bionic surface technologies nahm man diese Entdeckung zum Anlass, um an der Entwicklung einer Folie zu arbeiten, die in ihren Eigenschaften der Haut von Haien ähnelt. Was im Wasser funktioniert, hat schließlich auch an Land und in der Luft großes Potenzial, war das steirische Unternehmen überzeugt, und könnte durch Effizienzgewinne einen Meilenstein für ganze Branchen wie die Luftfahrt bedeuten. Unterstützung holte sich das Forscherteam beim steirischen ACR-Institut ZFE mit seiner Expertise, kleinste Strukturen sichtbar zu machen. Auf diese Weise konnten erste Prototypen entwickelt, optimiert und auf ihre Beständigkeit getestet werden, setzt der Einsatz in der Luftfahrtindustrie doch erhebliche Widerstandsfähigkeit gegenüber Temperaturschwankungen, Druckunterschieden und der Ultraviolettstrahlung voraus.

Erste Praxisanwendungen gaben dem steirischen Entwicklerteam und ihrer Produktinnovation bald Recht. So ist es unter Anwendungen der Riblet-Folie 2010 gelungen, beim jährlichen Reno Airrace in Nevada aus einem Mittelklasseflugzeug einen Titelfavoriten zu machen. Da verwundert es kaum, dass auch entsprechendes Interesse aus der zivilen Luftfahrt nicht lange auf sich warten ließ. Was nach erfolgter Zertifizierung seit 2022 als „Areoshark“ bei Passagierflugzeugen verbreitet im Einsatz ist, geht auf die Entwicklungsarbeit des Grazer Unternehmens zurück. Die Haut von Haufischen nachahmend besteht die bionische Klebefolie aus Millionen von prismenförmigen Riblets. So klein diese Rillenstrukturen auch sein mögen, so groß ist ihre Wirkung. Denn sie ermöglichen es, den Energieaufwand bei gleichbleibender Geschwindigkeit um mehrere Prozentpunkte herabzusetzen und damit auch den CO2-Ausstoß maßgeblich zu verringern.

Elektronenmikroskopische Aufnahme einer Mikrostruktur-Folie

Aber nicht nur in der Luftfahrt weiß der Haifisch durch die Struktur seiner Haut zu überzeugen, auch andere Branchen können sich den Riblet-Effekt zunutze machen. Neben der Folientechnologie, die sich vor allem für großflächige Anwendungen wie Flugzeuge oder Windräder eignet, kommen für Triebwerke beispielsweise spezielle Lacke zum Einsatz. Im Wasserbau, wo Erosionsgefahr besteht, haben sich indes Laser zur Oberflächenstrukturierung bewährt. Auch wenn sich einige Anwendungen derzeit noch in der Pilotphase befinden, stimmt der erwartbare Effizienzgewinn zuversichtlich, dass sich die Technologie zumindest in ausgewählten Sektoren durchsetzen wird. Wie so oft, ist es vor allem eine Frage der Rentabilität – für Peter Leitl und Andreas Flanschger, Gründer von bionic surface technologies, derzeit die größte Herausforderung, nachdem sie bei vielen Unternehmen aktuell verhaltene Risiko- und Investitionsbereitschaft orten. „Da müssen wir durch“, zeigen sich die beiden Geschäftsführer dennoch pragmatisch und lassen damit keine Zweifel daran, dass das Unternehmen seiner Vision treu bleibt: Eine Zukunft, in der Riblet-Oberflächen im Sinn der Nachhaltigkeit und Effizienz breit und branchenübergreifend eingesetzt werden.