Napoleons Brief: echt oder nachgedruckt?

Ein Sammler mit besonderem Faible für Autografen berühmter Komponisten, aber auch für die Person Napoleons I., legt dem Landesarchiv ein Dokument vor und bittet um Prüfung dessen Echtheit. Es ist ein Brief, den Napoleon im Jahr 1815 an den britischen Prinzregenten George  geschrieben haben soll, in dem er um dessen Gnade bittet und seinen Rückzug aus der Politik ankündigt. Da das Papier auf einen Karton aufgeklebt war und ohne Materialprobe untersucht werden sollte, bat das Landesarchiv das ACR-Institut ZFE um Hilfe.

Im ersten Schritt stellte das Landesarchiv im hauseigenen Studio für Reprografie ein hochaufgelöstes Digitalisat her und stellte zunächst eigene Interpretationen und archivische Nachforschungen an. Endgültige Klarheit konnte aber nur eine naturwissenschaftliche Untersuchung mit den technischen Möglichkeiten eines externen Labors bringen. Hier kommt das ZFE ins Spiel, dem das Landesarchiv das Schriftstück gemeinsam mit zwei zeitgenössischen Vergleichsproben zur Prüfung zur Verfügung stellte.

Am ZFE untersuchten die Forscher Thomas Planko (IFM-Spezialist), Harald Fitzek (Raman-Experte) und Hartmuth Schröttner (Arbeitsgruppenleiter SEM/IR/Raman) den Brief sowie die Referenzproben mittels eines hochauflösenden 3D-Lichtmikroskops (IFM – Infinite Focus Microscope) hinsichtlich der Struktur und mittels Raman-Spektroskopie hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung der Tinten/Druckfarben.

a Handgeschriebener Brief mit Napoleons Unterschrift
b Das Analyseteam von Napoleons Brief am ZFE

Untersuchung der Topographie

Die Infinite Focus Mikroskopie ist eine spezielle Lichtmikroskopie-Technik, bei der die physikalische Schwachstelle der geringen Schärfentiefe der klassischen Lichtmikroskopie durch spezielle Algorithmen beseitigt wird. Dabei wird die Probe nicht nur, wie bei der gewöhnlichen Lichtmikroskopie in x/y, also in der horizontalen Ebene betrachtet, sondern diese über die vertikale Achse (z) abgescannt. Die geschieht durch die Aufnahme eines Bildstapels in z-Achse, der mit Hilfe von Computeralgorithmen zu einem 3D-Datensatz zusammengesetzt wird. In Abhängigkeit des gewählten Objektivs kann so eine z-Auflösung bis hinunter in den Bereich von einigen 10nm erreicht werden. Das resultierende 3D-Bild zeigt die genaue topographische Oberfläche sowie die komplette Farbinformation des Untersuchungsobjektes.

Gerade bei der Untersuchung von Schriftstücken, ermöglicht diese Methode den Zusammenhang zwischen Farben und topographischen Höhendifferenzen zu vergleichen. Zudem lässt sich sehr gut zeigen, ob Farbe in die Struktur des Papiers eingedrungen ist oder nicht. Bei den durchgeführten Untersuchungen zur Napoleon – Lettre de reddition wurde für die Untersuchungen der Höhenunterschiede das Objektiv mit 20-facher Vergrößerung verwendet. Die Ergebnisse wurden mit Messungen von diversen zeitgenössischen Vergleichsproben abgestimmt. Bei diesen handelte es sich einerseits um eine Lithgraphie aus dem Steiermärkischen Landesarchiv und ein Schriftstück aus dem Familienarchiv der Grafen von Wickenburg. Anhand der 3D-Rekonstruktionen wurden mit einem Softwaretool Profilmessungen durchgeführt, um die Höhe des Farbauftrags zu bestimmen. Die hochaufgelösten Aufnahmen wurden auch herangezogen um das Eindringen von Tinte/Druckfarbe in die Struktur oder in Risse des Papiers zu beurteilen. Auf mögliche Veränderungen der Papierfasern an der Oberfläche durch das Schreiben mit einer Feder wurde ebenfalls großes Augenmerk gelegt.

Die Ergebnisse der Untersuchungen des Napoleon – Lettre de reddition weisen auf einen Druck hin. Vergleicht man das Höhenprofil mit dem handschriftlich verfassten, zeitgenössischem Referenzstück Wickenburg und mit der Lithographie, so ähnelt das Höhenprofil des Napoleon-Lettre de reddition eher dem Lithodruck. Bei Betrachtung des Wickenburg Vergleichsstücks erkennt man bei Farbansammlungen deutliche Höhenunterschiede (siehe Abbildung). Auffällig ist ebenfalls, dass Überkreuzungen des Schriftzuges immer Farbansammlungen aufweisen, da der Füller die Tinte verdrängt hat. Sowohl der Napoleon – Lettre de reddition, als auch der Lithodruck weisen diese Auffälligkeiten nicht auf. Die Farbe verläuft monoton. Es ist keine lokale Höhendifferenz bezüglich des Farbauftrages festzustellen. Signifikante Höhenunterschied sind nur auf die Papierstruktur zurückzuführen (blauer Pfeil in der Abbildung).

Untersuchung der Tinte

Zusätzlich zur Infinite Focus Mikroskopie wurde mittels Raman Spektroskopie die chemische Zusammensetzung der Tinten/Farben untersucht. Bei der Raman Mikroskopie wird ein Laserstrahl mittels eine optischen Einheit (Lichtmikroskopie) auf die Probe fokussiert. Das Streulicht, das von der Probe zurückgeworfen wird, enthält geringe in der Wellenlänge verschobene Anteile (andersfarbige Anteile). Die spektrale Analyse dieser Anteile gibt Auskunft über die chemischen Bindungen in der Probe.

Untersucht wurden die Farben/Tinten des Napoleon-Lettre de reddition, sowie der beiden Referenzstücke, – dem Vergleichsstück aus dem Familienarchiv der Grafen von Wickenburg und dem Lithodruck. Das Ramanspektrum ist für alle drei Schriftstücke durch das Farbpigment Ruß dominiert, wobei die Ruß-Kristallinität eher jener des Lithodrucks entspricht. Da allerdings Ruß-Pigmente, die für Tinten verwendet werden, im 19. Jahrhundert vermutlich nicht bezüglich ihrer Kristallinität normiert waren lässt sich daraus leider keine Aussage treffen.

Fazit

Aufgrund spezifischer Merkmale handelt es sich mit höchster Wahrscheinlichkeit tatsächlich um keine Handschrift, sondern um ein Faksimile in Form eines Lithografiedrucks.