Renaissance für den Baustoff Lehm

Vor Ort verfügbar, verwertbar und entsorgbar: Lehm hat das Potenzial zum Baustoff der Zukunft.  Das Forschungsprojekt ClayTo Stay der ACR-Institute IBO, KMFA, AEE Intec und BTI will dieses Potenzial heben und entwickelt Prüfkriterien für die Qualität des Lehms, den man auf der Baustelle vorfindet.

Nichts von dem, was den Bausektor in den letzten Jahrzehnten so problematisch gemacht hat, gilt für den Baustoff Lehm: Er produziert keinerlei Emissionen – weder Treibhausgase noch Giftstoffe; er enthält keine Problemstoffe, die aufwändig abgetrennt und entsorgt werden müssten; er ist gesundheitlich unbedenklich und sorgt sogar für ein angenehmes Raumklima; statt Energie zu verbrauchen, kann er helfen Energiekosten zu senken, weil er sensibler auf Temperaturänderungen reagiert als jede Klimaanlage; anders als Beton kann man ihn jederzeit wieder umformen. Lehm ist der perfekte Baustoff für eine klimafreundliche Zukunft. Unter einer Bedingung: Er muss aus der Region, am besten sogar von der Stelle, stammen, wo er verbaut werden soll. Nur so lassen sich die ökologischen Kosten langer Transportwege vermeiden.

„Das entscheidende Hindernis für den Einsatz von Ortslehm ist die Unsicherheit, was die jeweilige Qualität betrifft“, sagt die Architektin Ute Muñoz-Czerny, die das Projekt ClayToStay am IBO in Wien leitet. ClayToStay will das ändern, indem es diese Qualitätsprüfung entwickelt und als Dienstleistung anbietet. An dem Projekt sind die ACR Institute KMU Forschung Austria, AEE Intec und das Bautechnische Institut Linz beteiligt. Sie bilden ein neues Prüfungsnetzwerk für Lehm. Das erklärte Ziel: Eine möglichst breite Anwendung des Baustoffs. „Es wäre vor dem Hintergrund des Klimawandels tragisch, das Potenzial von Ortslehm nicht zu nutzen“, so Muñoz-Czerny.

Nahaufnahme von Lehm woraus eine Pflanze sprießt

Es wäre vor dem Hintergrund des Klimawandels tragisch, das Potenzial von Ortslehm nicht zu nutzen.

Ute Muñoz-Czerny, IBO

Um dorthin zu gelangen, hat das IBO für das zweijährige Forschungsprojekt mehrere Arbeitspakete geschnürt. In einem ersten Schritt soll erhoben werden, was dem Einsatz von Lehm aus der Sicht von ArchitektInnen, Baufirmen und Bauträgern eigentlich im Weg steht. Dabei soll auch das Marktpotenzial für industriell gefertigten, standardisierten Lehm und für regionalen Ortslehm von der Baustelle eruiert werden.

Das IBO wird mit den Projektpartnern auch der Frage nachgehen, ob Lehm tatsächlich zu einem behaglicheren Wohnen beiträgt: Zu den Effekten von Lehm auf das Raumklima – etwa die Absorption von Feuchtigkeitv – gibt es bislang nur Laborstudien. Auch die ökologischen Eigenschaften des Lehms werden untersucht. Die Entwicklung einer standardisierten Laborprüfmethodik ist das Herzstück von ClayTo Stay. Dazu müssen zunächst geeignete Kriterien für die Bewertung von Ortslehm entwickelt und validiert werden. Am Ende soll eine Gesamtprüfstrategie stehen, die dann in eine Prüfdienstleistung mündet. Neben den Laborprüfungen wird das IBO auch Experimente durchführen, um zu sehen, für welche Anwendungen sich welche Typen von Ortslehm eignen. Unter anderem wird der Lehm dazu auf eine Versuchsfassade aufgebracht.

Am Ende des Projekts sollen die Stakeholder in der Baubranche verlässliche Aussagen über die Qualität und Verarbeitungseigenschaften von Ortslehm treffen können, indem sie die Prüfmethodik von ClayToSty nutzen. Ganz so, wie das jetzt für industriell hergestellten Lehm auch möglich ist.