Zwischen Transparenz und Vorsicht

Im Horizon Europe Projekt „ReConnect China“ beschäftigt sich ein Konsortium aus 15 europäischen Partnern – unter Beteiligung des ACR-Instituts Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) – mit der Frage, in welchen Bereichen die Zusammenarbeit der EU mit China möglich und wünschenswert ist. Die jüngste Podcast-Folge zum Projekt widmet sich der Forschungssicherheit in Kooperationen zwischen Österreich und China.

In der modernen geopolitischen Welt befinden sich die EU und China in einer dynamischen Beziehung zueinander. Wo und inwieweit beide Seiten von einer Zusammenarbeit profitieren können, beleuchten 15 Partner aus ganz Europa seit Ende 2022 im Rahmen des Horizon Europe Projekts „ReConnect China“. Dabei konzentrieren sich die Forscher*innen auf die Beantwortung dieser Frage in den vier Schlüsselbereichen Wissenschaft & Technologie, Wirtschaft & Handel sowie Chinas Innen-  und Außenpolitik. Auf Basis einer eigens im Projekt entwickelten Datenbank soll es außerdem gelingen, neue Informationsquellen aus China zu erschließen, um so ein tieferes Verständnis über das heutige China zu gewinnen und belastbare Kooperationspotenziale auszuloten.

Ein Podcast informiert regelmäßig über die neuesten Erkenntnisse aus dem Projekt. In der jüngsten Folge berichten Gábor Szüdi und Philipp Brugner vom ACR-Institut Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) über die Ergebnisse ihrer kürzlich durchgeführten Studie zur Forschungssicherheit in der Zusammenarbeit zwischen Österreich und China. Demnach zeigt die Umfrage, an der sich 24 Wissenschafter*innen österreichischer Universitäten vollumfänglich beteiligten, grundlegende Wissenslücken auf. Diese betreffen nicht nur Schlüsselbegriffe im Zusammenhang mit Forschungssicherheit, sondern auch aktuelle forschungspolitische Strategien zur Kooperation zwischen der EU und China.

3 Personen im Gespräch vor einer Weltkarte

Insgesamt zeigt sich, dass Forscher*innen, die bereits mit chinesischen Partnern zusammengearbeitet haben, der Zusammenarbeit deutlich aufgeschlossener gegenüberstehen, wenngleich die zunehmende Bedeutung von Transparenz beim Wissenstransfer und der Datennutzung stark betont wird. Um das Sicherheitsrisiko von Forschungskooperationen beurteilen zu können, sind Wissenschafter*innen auf Richtlinien und Handlungsempfehlungen seitens ihrer Forschungseinrichtungen, seitens ihrer nationalen Behörden oder seitens der EU angewiesen.

War „Forschungssicherheit“ vor wenigen Jahren noch kaum jemanden ein Begriff, hat das Thema gerade im vergangenen Jahr deutlich an Brisanz gewonnen. Wesentlicher Treiber dafür war die Empfehlung zur Stärkung der Forschungssicherheit, welche die Europäische Kommission 2024 vorgelegt hat und die im Mai desselben Jahres von den Ministern der EU-27 angenommen wurde. Die Sicherheit der europäischen Forschung vor dem Hintergrund externer politischer oder militärischer Einflussnahme wird darin zur obersten Priorität erklärt. Aufgabe der Politik ist es nun, anwendungsorientierte Lösungen und Instrumente zu entwickeln, die das notwendige Gleichgewicht zwischen Transparenz und Vorsicht herstellen.

Zwei Frauen im Gespräch vor einem Computer-Bildschirm

Die Studienautoren sprechen sich im Hinblick auf die weitere Forschungszusammenarbeit mit China insbesondere für sechs zentrale Maßnahmen aus: Eine systematische Datenerhebung und -analyse soll zunächst Aufschluss darüber geben, wie verschiedene Sicherheitsaspekte in der Kooperation mit China derzeit gehandhabt werden. Darauf basierend gilt es, auf europäischer, nationaler und universitärer Ebene in intensiven Austausch zu treten, um potenzielle Risiken zu identifizieren und damit die Grundlage zur Ableitung entsprechender Strategien über alle drei Ebenen hinweg zu schaffen. Das soll es ermöglichen, Einrichtungen und ihren Forscher*innen Leitlinien für eine effektive Zusammenarbeit mit China in die Hand zu geben. Zusätzliche Orientierung kann eine Art Hochschulbarometer zur Analyse chinesischer Forschungseinrichtungen schaffen, das über etwaige Sicherheitsrisiken bei der Kooperation mit chinesischen Partnern Auskunft gibt. Dies müsste gemäß den Studienautoren immer auf Basis konkret recherchierter und zusammengetragener Informationen, die aus öffentlichen und – wenn notwendig – geheimdienstlich verfügbaren Quellen stammen, passieren. Um schlussendlich auch den Rahmenbedingungen der einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen Rechnung zu tragen, sind die zentralen Entscheidungsträger*innen im jeweiligen wissenschaftlichen Bereich dazu angehalten, sich darüber verständigen, wie sie in Zukunft mit chinesischen Partnern zusammenarbeiten wollen.

Gábor Szüdi und Philipp Brugner verstehen die Ergebnisse ihrer Umfrage als klaren und dringlichen Handlungsauftrag an die Forschungseinrichtungen und die politische Ebene, die mit China kooperierenden Forscher*innen nicht länger mit der Frage zu vertrauenswürdigen Kooperationspartnern alleine zu lassen. „ReConnect China“ ist ein erster wichtiger Schritt auf dieser Gratwanderung zwischen fruchtbarer Zusammenarbeit im Sinne einer freien und offenen Wissenschaft und Forschungssicherheit. Den nächsten Schritt haben Szüdi und Brugner bereits getan und ihre Umfrage auf eine Reihe weiterer EU-Staaten ausgerollt.