Schlüsseltechnologie für die Kreislaufwirtschaft

Im Projekt Hipsters optimiert AEE Intec einen speziellen Bioreaktor, um aus Nebenprodukten und Reststoffen der Lebensmittelindustrie Nähr- und Rohstoffe zu extrahieren – Proteine, Fette, Zucker. Erster Versuchs-Reststoff ist Biertreber, aus diesem sollen hochwertige Proteine werden.

In der Natur gibt es keine Abfälle. Dieser grundlegende Gedanke der Kreislaufwirtschaft treibt auch AEE Intec bei dem Projekt Hipsters an: Das steirische Forschungsinstitut wird aus organischen Reststoffen wertvolle Rohstoffe – Aminosäuren etwa – extrahieren und für diesen Zweck seinen neuartigen Strömungs-Bioreaktor, einen „Oszillierenden Flow Bioreaktor“, kurz OFB, optimieren.

Dieser Bioreaktor, der von AEE Intec designt und bereits erfolgreich für die Extraktion von Glukose getestet wurde, kann auch zähflüssige Biomasse verarbeiten. Das spart Kosten für Verdünnungsmittel, verbraucht weniger Energie, ist schneller und effizienter, schont die Umwelt, liefert bessere Ergebnisse und wird KMU vieler Branchen neue Geschäftsfelder und neue Marktsegmente erschließen. Vor allem schließt das OFB-Verfahren den Kreis: nichts wird verschwendet.

a Aus einer Pipette tropft Flüssigkeit in ein Reagenzglas
b Biertreber

Eine Wirtschaft, die ihre Rohstoffe vollständig nutzen will, braucht effiziente Methoden der Rohstoff-Rückgewinnung aus Biomasse.

Bettina Muster

Der Versuchsstoff für die Weiterentwicklung des OFB wird Biertreber sein: Aus diesem Reststoff des Bierbrauens sollen hochwertige Proteine gewonnen werden – für mittelständische Brauereibetriebe wäre dies ein neues Geschäftsfeld.

Biertreber besteht aus den harten Spelzen von Gerste und sehr viel (gebundenem) Eiweiß. Er wird daher gern an Tiere verfüttert, die jedoch nur einen Teil der Inhaltsstoffe verwerten können. Den Biertreber als Ganzes zu verfüttern, ist noch aus einem anderen Grund eigentlich Verschwendung: Theoretisch wäre es nämlich möglich, nicht nur Proteine, sondern auch Lignin, Lipide, Zucker und andere chemische Verbindungen und Bestandteile gezielt herauszulösen. Die herausgelösten Stoffe könnten dann in Klebstoffen, in Medikamenten, in Tierfutter oder in Nahrungsergänzungsmitteln ihre Wirkung tun. Generell wäre diese Nutzung von Biomasse für die Umwelt ein Gewinn und auch für KMU, die Zugang zur kommenden biobasierten Wirtschaft suchen. Im Fall des Biertrebers würden die Brauereien von einem neuen hochwertigeren Produkt profitieren. „Eine Wirtschaft, die ihre Rohstoffe vollständig nutzen will, braucht generell effiziente Methoden der Rohstoff-Rückgewinnung aus Biomasse“, so Bettina Muster, die das Projekt Hipsters gemeinsam mit Judith Buchmaier leitet.

Biomasse muss bislang stark verdünnt werden, damit die gewünschten Extrakte am Ende des Verfahrens rein und konzentriert vorliegen. Nicht nur die dafür notwendigen Enzyme machen die Bearbeitung von Reststoffen wie Biertreber aufwändig und teuer, sondern auch die Langsamkeit, mit der herkömmliche Rührkessel-Reaktoren und auch herkömmliche Strömungs-Reaktoren die Biomasse verarbeiten. Die bisherigen Verfahren schlucken außerdem viel (fossile) Energie.

Wir erschließen mit unserem Strömungsreaktor die entstehende biobasierte Industrie für KMU.

Judith Buchmaier

AEE Intec hat bereits vor einiger Zeit den klassischen Strömungsreaktor, der an die Stelle der Rührschüssel ein Strömungsrohr setzt, entscheidend verbessert.  Der oszillierende Strömungsreaktor des AEE Intec ist noch besser darin, zähen Biomasse-Brei zu verarbeiten, sodass auf die Verdünnung und den ganzen nachfolgenden Aufwand inklusive der Enzyme weitgehend verzichtet werden kann. Der Clou ist nämlich die spezielle Ausstattung der Innenwand des Strömungsrohrs: Sie ist mit einer Helix versehen. Sobald dieser Oszillator die Masse in Schwingungen versetzt, sorgt die Helix für zahllose Verwirbelungen und Turbulenzen. Der Effekt: Eine größere Menge Biomasse kann in kürzerer Zeit wesentlich effizienter bearbeitet werden. Ohne die Helix würde man für einen ähnlichen Effekt sehr lange Rohrleitungen benötigen, weil die Durchmischung der Biomasse allein durch die Strömung passieren müsste. Hier erfährt die Durchmischung durch die Turbulenzen den entscheidenden Boost.

AEE Intec hat mit dem OFB bereits Zucker aus zähflüssiger Cellulose extrahiert. Ergebnis: Die Biomasse konnte dreieinhalb Mal fester sein als bei den Rührkesselreaktoren, und es kam bis zu vier Mal höher konzentrierte Glukose dabei heraus. Hipsters wird den OFB nun anhand von Biertreber weiter optimieren: Trainingsgebiet ist die Extraktion von Aminosäuren und von anderen Proteinen. Diese können zum Beispiel für die Lebensmittel- und Futtermittelindustrie eingesetzt werden.

Ohne Untertreibung kann man den OFB als die Schlüsseltechnologie für eine Wirtschaft sehen, die sich vom Erdöl verabschiedet hat: „Wir erschließen mit unserem Strömungsreaktor die entstehende biobasierte Industrie für KMU“, so Judith Buchmaier, Projektleiterin von Hipsters.