Schilf als der Torf von morgen

Auch wenn die schädlichen Umweltauswirkungen der Gewinnung längst bekannt sind, wird Torf im Erwerbsgartenbau nach wie vor verbreitet genutzt. Im Projekt „Re-Peat“ bringen die ACR-Institute ZFE, AEE INTEC, GET und LVA eine nachhaltige Alternative ins Spiel. Gelingt es Schilfstroh durch kontrollierte Kompostierung nutzbar zu machen, könnte das einen Meilenstein für die Substratproduktion bedeuten.

Er wird aus Mooren gewonnen, fördert das Pflanzenwachstum und ist in Gartenerden verbreitet im Einsatz: Die Rede ist von Torf. Jährlich werden europaweit rund 30 Millionen m3 der organischen Substanz gewonnen, ihr Image ist aber längst angekratzt und das völlig zurecht. Denn durch den Abbau gelangen große Mengen an CO2 in die Atmosphäre, während Moorlandschaften als wichtige Kohlenstoffsenken verloren gehen. Dementsprechend hat die heimische Politik eine Reduktion des Torfeinsatzes um 50% bis 2030 angeordnet. Wenn man bedenkt, dass Alternativen rar gesät sind, ist das ein überaus ambitioniertes Ziel. Die ACR-Institute ZFE, AEE INTEC, GET und LVA haben den großen Forschungsbedarf erkannt und stellen im Projekt „Re-Peat“ ihren Pioniergeist unter Beweis. „Wir haben hier die Chance, einen wertvollen Beitrag zu leisten, indem wir ungenutzte regionale Ressourcen zu einem klimafreundlichen Produkt aufwerten“, so Manfred Nachtnebel, Projektleiter am ZFE.

Geht es nach den beteiligten Wissenschaftler*innen, könnte schon bald Schilf genutzt werden, wo heute Torf zum Einsatz kommt. Immerhin wirft allein die Region rund um den Neusiedlersee jährlich 7.500 Tonnen des schnell wachsenden Süßgrases ab, bei verbesserter Erntetechnik könnte die Ausbeute noch wesentlich größer ausfallen. Es handelt sich also um einen kostengünstigen, rasch und reichlich verfügbaren Rohstoff, der aktuell keine Anwendung findet. Hinzu kommt, dass Schilf Kohlenstoff bindet und seine Bewirtschaftung die lokale Biodiversität fördert.

Projektlogo mit Schilf und Pfeil

Um das Süßgras für gartenbauliche Zwecke nutzbar zu machen, braucht es allerdings nicht weniger als eine verfahrenstechnische Innovation. Dabei gilt es vor allem den geringen Stickstoffgehalt von Schilfstroh zu überwinden, der eine Zersetzung durch Mikroorganismen verhindert. Die Beimischung von organischen Abfällen würde in dieser Hinsicht zwar Abhilfe schaffen, jedoch zu einem inhomogenen Endprodukt führen, das den hohen Anforderungen des Erwerbsgartenbaus nicht gerecht wird. Für die Forscher*innen liegt die Lösung daher im gezielten Zusatz von Reststoffen aus der Getränkeproduktion, die es ermöglichen, Schilfstroh mit gleichbleibender Qualität zu kompostieren – so zumindest die Theorie.

„Wir haben hier die Chance, einen wertvollen Beitrag zu leisten, indem wir ungenutzte regionale Ressourcen zu einem klimafreundlichen Produkt aufwerten.“

Manfred Nachtnebel, Projektleiter am ZFE
Forscher und Forscherin vor einem Mikroskop
Forscher mit Substratproben im Labor

Wie das in der Praxis aussehen kann, wird im Projekt „Re-Peat“ schrittweise untersucht. Zunächst widmen sich die Forscher*innen der richtigen Vorbehandlung des Schilfstrohs. Durch mechanische Zerkleinerung vergrößert sich nämlich die Angriffsfläche für Mikroorgansimen, was die Zersetzung erleichtert. Modernste Mikroskopie-Methoden geben entlang der gesamten Prozesskette Aufschluss über mikrostrukturelle Veränderungen. Sie ermöglichen es auch, Fremdstoffe frühzeitig zu erkennen und damit rechtzeitig zu entfernen. Nach der Vermengung mit Resten aus der Getränkeproduktion wird das entstehende Substrat zunächst im Labormaßstab kompostiert. Größer angelegte Pilotversuche sorgen anschließend für möglichst praxisnahe Bedingungen, wobei Versuche mit Pflanzen letztlich zeigen werden, ob die Schilf-basierte Alternative in ihrer Nährstoffzusammensetzung und Verträglichkeit mit torfbasierten Substraten mithalten kann.

Um Fragen der Skalierbarkeit und Wirtschaftlichkeit frühzeitig zu berücksichtigen, werden von Beginn an auch namhafte Gartenbaubetriebe und Substrathersteller in das Projekt miteinbezogen. Entstehen soll auf diesem Weg nicht nur ein neuartiges nachhaltiges Pflanzensubstrat, das eine bestehende Marktlücke schließt, sondern auch ein innovatives Dienstleistungsmodell. „Die Idee entstand im Nachgang zum Strategischen ACR-Projekt „BioProfit“ mit dem Anliegen ein umweltfreundliches Produkt von KMU für KMU herzustellen“, betont Manfred Nachtnebel. So streben die Forscher*innen eine Patentierung und Lizenzierung des entwickelten Kompostierverfahrens an und möchten Substratherstellern künftig ein umfassendes Konzept zur Qualitätskontrolle anbieten. An mangelnder Nachfrage dürfte es jedenfalls nicht scheitern, sind doch allein in Österreich rund 1.200 Gartenbaubetriebe angesiedelt, die derzeit auf Torf zurückgreifen. Behalten die Forscher*innen Recht, könnte Schilf die Substratproduktion nachhaltig revolutionieren.